martinstuba

das vorspiel

manche tage fangen so harmlos an. mit sachen wie einer tuba, die irgendwo herumsteht, wo sie eigentlich nicht hingehört. mit einem entschlossenen gesichtsausdruck und den worten 'das muß heute aber mal was werden'.

der satz kam aber heute morgen vor dem instrument und damit hätte klar sein müssen, dass der tag nicht so reibungslos über die bühne geht, wie das eigentlich gedacht war. denn wenn M. in seiner werkstatt alleine ist, hört man das bereits beim reinkommen. dann läuft new orleans jazz statt swr3-gedudel und die espresso-maschine dazu auf hochtouren.

nur in der werkhalle ist es ruhig. was daran liegt, dass im grunde auch nicht gearbeitet wird. gibt schließlich genug zu tun - die neuen dreckstouren der ersatzteil-lieferanten zu beklagen, sich über opel-fahrer lustig zu machen und über die kundenfreundlichkeit von bmw-werkstätten zu lachen. ersatzweise rechnungen zu bestaunen, die mercedes-werkstäten für schlichte ölwechsel oder das anziehen von schrauben berechnen.

für opel-fahrende stammkunden wird dieses programm freundlicherweise ab und an unterbrochen, um sich dem dringend benötigten auto pflegend zuzuwenden. arbeitsmittel: reichlich kaffeetassen, eine taschenlampe, ein azubi, der kunde, autoschlüssel, das auto selbst.

die aufwärmphase

zunächst wird der kunde gebeten, für reichlich essen zu sorgen. "testfahrt", grinst M. und bestellt hühnchen-döner mit schafskäse und doppelt zwiebeln. die testfahrt ergibt die schon vorher bekannten fehler in der motorsteuerung und startprobleme an der döner-bude.

zurück in der werkstatt widmen sich M. und kunde dem essen, während der stift fluchend die innenraumverkleidung auf der suche nach einem steuergerät auseinandernimmt. in der küche werden die handlungsalternativen diskutiert.
M: ich glaube ja nicht an ein defektes kabel.
kunde: der marder neulich hat aber schon reichlich welche angefressen. selbst ich finde auf anhieb eine handvoll.
M: trotzdem. außerdem glaube ich an drei voneinander unabhängige fehler.
kunde (beeindruckt): wieso?
M: gefühl.
beeindrucktes schweigen, nur von schmatzen unterbrochen

kaputteromega

die harte arbeit

nach dem essen der kaffee. um der inzwischen deutlich vorgerückten tageszeit rechnung zu tragen, wird er am zu reparierenden wagen eingenommen. der stift hat seine arbeit beendet, allerdings keinen fehler gefunden. nach einer halben stunde andächtigen kaffeetrinkens vor der offenen motorhaube wird zu zweit beschlossen, den dritten einen diagnosecomputer anschließen zu lassen, der schon bei den vorangegangenen werkstattterminen kein ergebnis brachte. der stift flucht und geht an die arbeit. M. und kunde gehen sich neuen kaffee holen.

der diagnosecomputer

das gerät kennt sechs millionen autotypen, hat einen adaptersatz, der jeden heim-pc-besitzer vor neid erblassen läßt und wirft die ergebnisse seiner arbeit auf einem kleinen schwarz-weiß-bildschirm in die welt. "kurbelwellensensor liefert fehler" steht da zu lesen. was außer dem stift im grunde niemanden wundert, da eine kurbelwelle bei abgeschaltetem motor nunmal nicht läuft. eine tatsache, die allerdings auch opel-ingenieuren nicht bekannt ist. M. gibt bei dieser gelegenheit die immer wieder göttliche geschichte der bmw-ingenieure zum besten, die mit ähnlicher feinheit die bayerischen wagen verbessern: nachdem bei den neuesten modellen ein fehler in der software gefunden wurde, die nach betätigen der zentralverriegelung und anschließendem manuellem öffnen der beifahrertür mit endgültiger sicherheit die wegfahrsperre auslöst, wurden an den autos die schließzylinder wegkonstruiert. der fehler ist noch da, aber es kann ihn niemand mehr begehen.

während M. und der kunde noch herzhaft lachen, rätselt der stift noch immer über den ausgelesenen kurbelwellensensorfehler. zu strafe wird er in die grube geschickt, um die lamda-sonde auszubauen.

die sonde

die sonde ist ins visier von m. geraten, weil sie abnorme werte anzeigt. was nicht heissen muß, dass die sonde defekt ist. "kann auch die steuerung sein", murmelt M. und deutet auf einen großen kasten im motorraum. der stift flucht unter dem auto und im gleichen augenblick geht der motor aus. die fassungslosigkeit über diesen effekt erfordert neuen kaffee. es wird bald halb sechs. der stift baut die sonde wieder ein. der motor läuft. der computer spuckt abnorme werte aus. nur in der zeile "luftmassenmesser" bleibt die zahl auf null.

der luftmassenmesser

kunde: defekt?
M: möglich.
kunde: oder?
M: das steuergerät.

das steuergerät ist teurer als der luftmassenmesser. die online-bestelldatenbank kennt keine luftmassenmesser für autos dieser art. der motor läuft nicht mehr. dafür leuchtet jetzt die motorkontrollleuchte. "ups" sagt M. und startet neu. lampe aus, motor an. "kein fehler" sagt der computer. es braucht neuen kaffee.

die lage

der luftmassenmesser motzt nicht, wenn man draufhaut. die lamdasonde ist am platz und liefert abnorme werte. die zündkabel sind angefressen, aber nicht ernsthaft beschädigt. der hauptmassepunkt ist in ordnung. das steuergerät funktioniert sogar noch bei belastung durch vereisungsspray.

trotzdem setzt zwischendurch der motor aus. trotzdem macht die motorkontrollleuchte, was sie will. trotzdem behauptet das autotelefon einen akku zu besitzen. trotzdem resetet sich der bordcomputer nach eigenem ermessen. trotzdem weist die kühlmitteltemperaturanzeige konstant einen wert von von 120 grad aus. trotzdem ermittelt die tankanzeige werte zwischen "voll" und "leer".

der stift geht nach hause. M. kocht kaffee. der kunde tritt gegen den wagen.

der endspurt

das autotelefon gerät ins visier. "seit das drin ist, hast du nur ärger" behauptet M., "das hat man davon, wenn man fachwerkstätten mit so einer scheisse beauftragt...". der kunde widerspricht, denn das autotelefon ist schon länger da als der fehler. das radio hingegen ist erst vor anderthalb jahren eingebaut worden und seit dem...

fünf minuten und zwei tassen kaffee später ist das radio offline. "fahr erstmal 'ne weile ohne, dann sehen wir weiter. mittwoch kommt der neue luftmassenmesser", sagt M. könnte ja sein, dass opel solche autos baut, wie mercedes: da fahren viele oberklasse-limusionen der neuesten generation nur, "wenn man das telefon abstellt und die steuerung der hinteren scheiben abklemmt", lacht M. und freut sich diebisch.

im büro läuft new orleans jazz. es ist bald neun uhr abends. schluß für heute, morgen ist auch ein tag. auf dem heimweg schnurrt der motor wie ein kätzchen. soweit man das auf 600 metern beurteilen kann.